Die Energiewirtschaft steht vor einem historischen Umbruch. Erneuerbare Energien, innovative Technologien und ein verändertes Verbrauchsverhalten stellen alte Marktmechanismen auf den Kopf. Ein Phänomen, das dabei immer häufiger Schlagzeilen macht, sind die negativen Strompreise.
In einer aktuellen Folge meines Podcasts Energie im Wandel habe ich mich mit meinem Kollegen Jaro intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Dabei geht es nicht nur um die Ursachen, sondern auch um die Auswirkungen für Verbraucher, Unternehmen und insbesondere Stadtwerke.
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Was sind eigentlich negative Strompreise?
Während Endkunden in Deutschland meist einen konstanten Strompreis zahlen, sieht es auf dem Strommarkt ganz anders aus. Hier ändern sich die Preise stündlich, abhängig von Angebot und Nachfrage.
Wenn jedoch mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, passiert etwas Außergewöhnliches: Der Preis fällt nicht nur auf Null, sondern rutscht in den negativen Bereich. Das bedeutet, dass Stromproduzenten Geld zahlen müssen, damit ihr Strom überhaupt abgenommen wird.
Oder wie ich es im Podcast formuliert habe:
„Also sorry dafür, dass ich da nachlässig war … Aber wenn man jetzt zum Beispiel das Thema Entsorgung von Müll Mengen denkt, es ist ja durchaus so, dass man da ein Gut bekommt – und man in der Folge da Geld mit verdient, dass man die Entsorgung übernimmt. Und so ähnlich ist es beim Strom jetzt an der Stelle tatsächlich auch.“
Warum treten negative Strompreise immer häufiger auf?
Die Hauptgründe sind:
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Zuwachs erneuerbarer Energien – Wind- und Solaranlagen speisen unabhängig von der Nachfrage ein.
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Fehlende Flexibilität im System – Kleine PV-Anlagen speisen konstant ein, unabhängig vom Marktpreis.
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Technische Restriktionen – Manche Kraftwerke können nicht einfach heruntergefahren werden, da sie Netzstabilität gewährleisten müssen.
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Begrenzter Export – Wenn Nachbarländer die überschüssige Energie nicht aufnehmen, bleibt sie im System.
Besonders spannend: Schon 2013 wurden die ersten negativen Strompreise in Deutschland verzeichnet. Inzwischen sind sie keine Seltenheit mehr. 2024 gab es bereits 460 Stunden mit negativen Preisen – Tendenz steigend.
Internationale Perspektive: Was machen andere Länder anders?
Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt: Deutschland ist nicht allein mit diesem Phänomen.
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Dänemark: Dank einer hohen Durchdringung mit Smart Metern reagieren Haushalte viel flexibler auf Preissignale. Verbraucher entscheiden bewusst, wann sie ihr Elektroauto laden oder energieintensive Geräte nutzen.
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Kalifornien: Dort wirken Batteriespeicher bereits als Preispuffer. Sie nehmen überschüssigen Strom auf, wenn er günstig ist, und geben ihn zurück ins Netz, wenn die Nachfrage steigt. Das verhindert, dass Preise ins Negative rutschen.
Ich habe es im Podcast so formuliert:
„Die Batteriespeicher, die jetzt ja in Deutschland geplant sind und angefragt sind, die werden eigentlich auch in Deutschland sehr sicher dazu führen, dass wir auf Sicht die negativen Preise gar nicht mehr haben werden.“
Chancen für Verbraucher
Für Endkunden klingen negative Strompreise zunächst verlockend: Strom nutzen, wenn er besonders günstig oder sogar „mit Bonus“ verfügbar ist. Doch in der Realität wirken Netzentgelte und Umlagen dem meist entgegen.
Was aber möglich ist:
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Flexible Stromtarife, die sich am Börsenpreis orientieren
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Smart Home-Lösungen, die automatisch günstige Zeitfenster nutzen
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Intelligente Ladealgorithmen für Elektroautos
Langfristig könnte so ein bewusstes Verbrauchsverhalten entstehen, bei dem Strom dann genutzt wird, wenn er im Überfluss vorhanden ist.
Herausforderungen für Stadtwerke
Für Stadtwerke ist das Thema besonders spannend – und herausfordernd zugleich.
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Viele Kund:innen mit Innovationsfreude sind längst zu flexiblen Anbietern wie Tibber gewechselt.
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Die verbleibende Kundschaft ist häufig weniger bereit, neue Tarifmodelle auszuprobieren.
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Dennoch: Stadtwerke verfügen über gewachsene Kundenbeziehungen und ein hohes Vertrauen.
Das eröffnet Chancen, neue Geschäftsmodelle aufzubauen – etwa rund um Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur und flexible Tarife.
Wie ich es im Podcast betont habe:
„Ich würde tatsächlich sagen, dass sich Stadtwerke extrem dafür anbieten, dieses ganze neue Spiel zu gestalten. Gerade die Themen Wärme und Mobilität bieten unglaublich viel Potenzial.“
Was bringt die Zukunft?
Die Energiewende bedeutet nicht nur mehr erneuerbare Energien, sondern auch eine neue Dynamik im Verbrauch. Künstliche Intelligenz, Algorithmen und automatisierte Steuerungssysteme werden den Alltag von Endverbrauchern und Unternehmen entscheidend prägen.
Das Ziel:
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Stromverbrauch an die Verfügbarkeit anpassen
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Netz stabilisieren
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Ressourcen effizient nutzen
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Kosten fair verteilen
Der Weg dahin führt über digitale Infrastruktur, regulatorische Anpassungen und die Bereitschaft zur Veränderung.
Fazit
Negative Strompreise sind ein Symbol dafür, dass die Energiewende real und spürbar ist. Sie zeigen die Spannungen zwischen einem alten, starren System und einer neuen, dynamischen Welt.
Für Verbraucher heißt das: Mehr Chancen zur Kostenoptimierung und Teilhabe an der Energiewende.
Für Unternehmen: Flexibilität in der Produktion wird zum Wettbewerbsvorteil.
Für Stadtwerke: Ein Weckruf, die Transformation aktiv mitzugestalten.
Wenn wir es schaffen, Flexibilität in das System zu bringen – durch Speicher, smarte Technologien und innovative Tarife – dann werden negative Strompreise nicht als Problem, sondern als Katalysator für Veränderung wahrgenommen.
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