Hinweis: Die vollständige Podcastfolge findest du hier:
👉 Podcast „Energie im Wandel“ – Folge mit Merlin Lauenburg von Tibber
Einleitung: Warum Flexibilität der neue Schlüssel der Energiewende ist
Die Energiewirtschaft steckt mitten in der größten Transformation ihrer Geschichte. Während auf der Erzeugerseite bereits beeindruckende Erfolge gefeiert werden – riesige PV-Felder, Windparks, Wärmepumpen, batteriegestützte Netze – fehlt es an einer entscheidenden Stellschraube: Flexibilität beim Verbrauch.
Denn erst wenn Strom nicht nur intelligent erzeugt, sondern auch intelligent genutzt wird, kann die Energiewende wirtschaftlich, stabil und gesellschaftlich akzeptiert gelingen.
Genau darüber spreche ich in der aktuellen Folge meines Podcasts „Energie im Wandel“ mit Merlin Lauenburg, Managing Director Germany beim digitalen Ökostromanbieter Tibber, der mit dynamischen Stromtarifen und smarten Softwarelösungen eine echte Vorreiterrolle einnimmt.
In diesem Blogbeitrag fasse ich das Gespräch nicht nur zusammen, sondern ordne es ein – praxisnah, visionär und mit Blick auf das große Ganze.
1. Von Naturdokus zu dynamischen Stromtarifen – Wer ist Merlin Lauenburg?
Es gibt Lebensläufe, die schnurgerade verlaufen – und es gibt die anderen. Merlins Weg gehört klar zur zweiten Kategorie. Studiert hat er International Business und Strategic Management in Groningen, Grenoble und Kopenhagen, gearbeitet bei Rocket Internet, Simbas, der Junior Group, einem Co-Living-Startup und später bei Viessmann im Venture-Bereich.
Doch was ihn wirklich antreibt, ist ein tief verwurzeltes Nachhaltigkeitsmotiv. Oder wie er selbst sagt:
„Für mich ist das Thema Nachhaltigkeit immer eine große Rolle gewesen.“
Dass er heute die deutsche Organisation von Tibber führt, ist also weniger Zufall als konsequente Entwicklung. Und offenbar war die Leidenschaft für Energie, Klima und Natur schon früh angelegt – denn als Kind durfte Merlin „fast ausschließlich Tier- und Naturdokus“ schauen.
Eine Anekdote, die nicht nur sympathisch ist, sondern zeigt:
Nachhaltiges Handeln beginnt im Kopf – oft viel früher, als man denkt.
2. Was Tibber eigentlich macht – und warum das so revolutionär ist
Tibber ist in Deutschland vor allem als Ökostromanbieter mit dynamischem Tarif bekannt. Doch das greift zu kurz. Merlin erklärt es so plastisch wie präzise:
„Tibber ist ein digitaler Ökostromanbieter und Pionier bei dynamischen Tarifen.“
Das heißt: Statt eines festen Preises gilt bei Tibber der stündliche Börsenpreis. In Kombination mit der Tibber-App entsteht ein Home Energy Management System (HEMS), das zum Beispiel:
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E-Autos automatisch dann lädt, wenn Strom günstig ist
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Batteriespeicher optimal befüllt
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den Solarstromüberschuss intelligent nutzt
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Verbrauch transparent macht – im 2-Sekunden-Takt
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Haushaltsgeräte wie Waschmaschine oder Trockner automatisiert starten kann
Es entsteht also nicht einfach ein anderer Stromvertrag –
sondern ein intelligentes Energiesystem für den eigenen Haushalt.
3. Dynamische Stromtarife: Warum Deutschland hinterherhinkt
Damit dynamische Tarife funktionieren, braucht es vor allem eines: Smart Meter.
Und genau da wird es schwierig. Deutschland ist europäisches Schlusslicht im Rollout.
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Nur 2,8 % der Haushalte haben einen intelligenten Zähler.
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Rund 600 Messstellenbetreiber haben weniger als 5 % Rollout-Anteil.
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300 haben noch gar keinen Smart Meter installiert.
Zum Vergleich:
In Norwegen haben 93 % der Haushalte bereits einen volldynamischen Tarif – und ab diesem Jahr werden dort nur noch E-Autos zugelassen.
Merlin formuliert es diplomatisch, aber klar:
Deutschland verbaut sich gerade viel Potenzial.
Und ich habe im Gespräch ebenfalls betont:
„Ich gucke immer auf meinen Einflussbereich. Und das macht das Leben so viel einfacher.“
Der Einflussbereich der Energieversorger beginnt bei ihrer Infrastruktur.
Der Einflussbereich der Politik beim Abbau von Komplexitäten.
Und der Einflussbereich der Verbraucher:innen beim eigenen Energieverhalten.
Der Smart Meter Rollout ist also nicht nur ein technisches Projekt –
er ist die Eintrittskarte in eine flexible, zukunftsfähige Energiewelt.
4. Das Smart Meter light – warum Tibber eine pragmatische Alternative fordert
Besonders spannend: Tibber macht sich gemeinsam mit 20+ Unternehmen für ein sogenanntes Smart Meter light stark.
Was ist das?
Eine vereinfachte, kostengünstige Zählerlösung, die:
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15-Minuten-Werte liefert
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keine hochkomplexe Gateway-Struktur benötigt
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keine Steuerungsschnittstelle enthält
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leicht austauschbar ist (z. B. im Zuge der Eichfrist)
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für Haushalte mit geringeren Verbräuchen geeignet ist
Warum ist das wichtig?
Weil Millionen Haushalte in Deutschland nicht im verpflichtenden Rollout sind, aber dennoch flexible Tarife nutzen wollen. Und gerade in urbanen Räumen – also dort, wo Menschen oft keine PV-Anlage besitzen – könnten Smart Meter light eine enorme Wirkung erzielen.
Merlin bringt es auf den Punkt:
„Wir glauben sehr stark daran, dass wir an einer pragmatischeren Lösung intelligenter Zählertechnik nicht vorbeikommen werden.“
Das Smart Meter light wäre ein Gamechanger – technisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich.
5. Was Deutschland von Norwegen, Schweden und den Niederlanden lernen kann
Drei Länder, drei Vorbilder. Die Gemeinsamkeiten:
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klare politische Rahmenbedingungen
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starke Digitalisierung
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hohe Akzeptanz für smarte Tarife
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Fokus auf Elektrifizierung von Mobilität & Wärme
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weit entwickelter Smart Meter Rollout
In Norwegen etwa wird Stromverbrauch längst aktiv gesteuert – nicht als Einschränkung, sondern als Komfortgewinn. Elektroautos laden nachts automatisch. Wärmepumpen passen sich dynamisch an. Der Markt funktioniert flexibel – und stabiler.
Deutschland hingegen glaubt noch, jede:r müsse seine eigene Ölheizung „unter Kontrolle haben“. Ein kulturelles Thema – und ein Hindernis.
Doch Flexibilität bedeutet nicht Kontrollverlust, sondern:
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weniger Kosten
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mehr Effizienz
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mehr erneuerbare Energien im Verbrauch
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weniger Lastspitzen
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stabilere Netze
Je früher wir das verstehen, desto besser.
6. Nutzerverhalten: Flexibilität ist keine Theorie – sie wirkt messbar
Tibber hat kürzlich Daten veröffentlicht, die zeigen:
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Tibber-Kund:innen haben ein signifikant anderes Verbrauchsmuster als das Standardlastprofil.
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Die stärkste Verschiebung findet zwischen 0 und 4 Uhr statt – wenn Strom am günstigsten ist.
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Auch Mittags, wenn viel Solarstrom im Netz ist, steigt der Verbrauch.
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Abends – zur Spitze des Standardlastprofils – sinkt der Tibber-Verbrauch hingegen deutlich.
Besonders stark wirkt das bei Prosumer-Haushalten mit PV und Speicher.
Ich selbst habe es so beschrieben:
„Mein Standardlastprofil ist völlig versaut – da ist ja nichts mehr normal.“
Mittags speist die PV-Anlage ein, nachts lade ich Speicher und Auto – und tagsüber läuft der Haushalt im Autarkiemodus. Genau so sieht gelebte Flexibilität aus.
Das Ergebnis:
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bis zu 30 % geringere Stromkosten
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massiv höhere Nutzung erneuerbarer Energien
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Entlastung des Gesamtsystems
Flexibilität zahlt sich also dreifach aus.
7. Warum Stadtwerke jetzt reagieren müssen – und was sie lernen können
Spannend war auch die Frage, ob Tibber seine Technologie als White-Label-Lösung für Stadtwerke anbieten würde. Die Antwort lautet: Man hat darüber nachgedacht, es aber aus Priorisierungsgründen nicht umgesetzt.
Dabei wäre der Bedarf riesig.
Viele Stadtwerke berichten:
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zu wenig Know-how
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zu teure Softwarelösungen
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zu komplexe Vorgaben
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zu wenig Nachfrage
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zu lange Implementierungszeiten
Doch der Markt wartet nicht.
Stadtwerke, die jetzt handeln, können:
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neue Kundensegmente erschließen
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sich als moderne Energiepartner positionieren
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Zusatzservices monetarisieren
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langfristige Kundenbindung stärken
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ihre eigene Relevanz im Energiesystem sichern
Dynamische Tarife sind nicht nur Pflicht –
sie sind eine Chance, Produkt und Marke neu zu erfinden.
8. Die Zukunft: Ein Tarif, der Komplexität verbirgt – und Einfachheit liefert
Tibber arbeitet bereits an der nächsten Produktgeneration. Sie soll:
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weniger erklärungsbedürftig
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komfortabler
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vollautomatisch
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massenmarktfähig
sein.
Merlin gibt einen kleinen Ausblick:
„Vielleicht ein Tarif, der Kostenfreies Laden zu bestimmten Zeiten ermöglicht.“
Darunter verstecken sich:
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dynamische Preise
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virtuelles Kraftwerk (VPP)
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Zeitvariable Netzentgelte
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Optimierungslogiken
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automatisierte Lastverschiebung
Die Kund:innen sehen jedoch nur:
Es funktioniert. Einfach. Und günstig.
Genau so muss Energie in Zukunft sein.
Fazit: Die Energiewende wird im Haushalt entschieden – und Tibber zeigt, wie es geht
Dynamische Tarife sind kein Nischenprodukt mehr.
Sie sind ein zentraler Baustein der Energiewende, weil sie:
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Verbrauch intelligent steuern
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erneuerbare Energien besser integrieren
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Lastspitzen vermeiden
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Kosten senken
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Netze stabilisieren
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Verhalten verändern
Deutschland hat Aufholbedarf – beim Smart Meter Rollout, bei der Digitalisierung, bei der Kundenkommunikation und beim Mut, Flexibilität als Chance zu begreifen.
Doch Unternehmen wie Tibber zeigen:
Die Zukunft ist nicht nur möglich – sie ist bereits da.
Jetzt braucht es vor allem eines:
Mehr Geschwindigkeit. Mehr Pragmatismus. Mehr Mut.
👉 Jetzt reinhören: Die Podcastfolge mit Merlin Lauenburg von Tibber
Wenn du in einem Stadtwerk, einem Energieunternehmen oder im Bereich Prosumer & PV unterwegs bist, ist diese Folge ein Muss. Denn Flexibilisierung ist kein abstraktes Zukunftsthema – sie passiert heute. Und sie verändert alles.