Die weltweite Energiewende hat längst an Fahrt aufgenommen – doch während einige Länder mit Mut, strategischer Planung und beeindruckender Geschwindigkeit vorangehen, wirkt Deutschland oft so, als würde es mit angezogener Handbremse fahren. In dieser Podcastfolge von Energie im Wandel durfte ich tief in ein Gespräch eintauchen, das mich selbst tagelang beschäftigt hat. Und genau diese Gedanken möchte ich in diesem Blogbeitrag für dich öffnen.
Das Gespräch – die vermutlich letzte Solo-Folge in dieser Form mit Jaro – ist ein kraftvoller Mix aus persönlichem Abschied und fachlicher Klarheit. Wir sprechen über die aktuelle Arbeit von Copenhagen Infrastructure Partners (CIP), die global als einer der einflussreichsten Player in der Finanzierung erneuerbarer Großprojekte gelten. Und wir beleuchten, warum Länder wie Dänemark, Chile oder Südafrika für Investoren so unglaublich attraktiv sind – während Deutschland mit seiner komplexen Infrastruktur und langsamen regulatorischen Anpassungsfähigkeit oft ausgebremst wird.
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➡️ https://nachhaltigreich.podigee.io/169-warum-deutschland-bremst-und-andere-lander-vorpreschen-grosse-biogas-visionen-ein-abschied
Ein globaler Blick verändert alles
Wer sich mit Energiewende beschäftigt, stolpert früher oder später über gewaltige Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Die Veranstaltung von CIP, die ich besucht habe, hat mir diese Unterschiede erneut sehr deutlich vor Augen geführt.
Ein Satz aus dem Gespräch bringt es auf den Punkt:
„Ich war da schon überrascht. Ich hätte fast gesagt irritiert.“
So habe ich es im Podcast formuliert, als ich von der Biogasanlage in Dänemark erzählte. Denn das, was dort entsteht, ist nicht nur beeindruckend – es ist ein Vorgeschmack auf das Energiesystem der Zukunft.
Während wir in Deutschland häufig über 500-kW-Anlagen sprechen, vielleicht mal ein Megawatt oder zwei, hat CIP in Süd-Dänemark etwas völlig anderes gebaut:
🔹 450 Megawatt Leistung
🔹 vollständig basierend auf Reststoffen
🔹 gekoppelt mit intelligenter Gasaufbereitung
🔹 plus Verwertung von CO₂, Dünger und Nebenprodukten
Eine Dimension, die man in Deutschland in der Biogasbranche kaum kennt.
Warum Dänemark so weit vorne liegt
Deutschland liebt Dezentralität – aber Dänemark skaliert. Und nicht, indem sie Mais im großen Stil vergären, sondern indem sie Reststoffe aus Landwirtschaft und Industrie maximal effizient nutzen.
Ein weiteres Originalzitat aus dem Podcast, das es treffend beschreibt:
„Das ist eine ganz neue Liga, die da gespielt wird.“
Was die dänische Strategie so besonders macht:
1. Industrielle Denkweise statt kleinteiliger Hofanlagen
Biogas ist dort kein Nebenprodukt landwirtschaftlicher Betriebe, sondern Teil eines industriellen Ökosystems.
2. Konsequent wirtschaftlich gedacht
Große Skalierung = niedrigere Stromgestehungskosten, geringerer Arbeitsaufwand, bessere Planungssicherheit.
3. Ein Gasnetz, das bereits grün ist
Über 50 % Biomethan im Netz – Stand heute.
Ein Wert, der in Deutschland unerreichbar wirkt.
4. CO₂ wird als Rohstoff betrachtet
Statt als Abfall. Ob für Methanisierung oder industrielle Nutzung.
Während in Deutschland oft diskutiert wird, ob etwas geht, macht Dänemark es einfach.
Chile, Südafrika & Co.: Warum Investoren dorthin strömen
CIP investiert nicht einfach dort, wo es schön ist – sie folgen klaren, datenbasierten Kriterien:
🔸 Chile – die perfekte Symbiose aus Sonne und Speicher
Chile ist so lang wie die EU breit – ein Land voller klimatischer und logistischer Kontraste.
Es ist der Traum jedes Solarentwicklers:
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nahezu tägliche solare Einstrahlung
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ideale Bedingungen für PV + Batteriespeicher
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Strommärkte, die Investitionen erlauben statt verhindern
Deutschland wiederum ringt um marktnahe Speicheranreize – Chile baut sie.
🔸 Südafrika – ein Land im Umbruch
Hier treffen mehrere Faktoren zusammen:
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Kohle dominiert seit Jahrzehnten
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das Stromsystem muss komplett neu aufgebaut werden
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politische Programme öffnen den Markt für erneuerbare Projektentwickler
Und das Wichtigste: Hier müssen keine fossilen Altstrukturen mühsam umgebaut werden.
Die Zukunft beginnt gewissermaßen auf der grünen Wiese.
Das ist ein riesiger Vorteil – einer, den Deutschland nicht hat.
Warum Deutschland für Investoren (aktuell) uninteressanter ist
Deutschland hat im globalen Vergleich drei große Herausforderungen:
1. Gewachsene fossile Infrastruktur
Netze wurden für Kohle und Atom gebaut – nicht für Wind und Sonne.
Alles muss umgebaut werden, alles dauert lange.
2. Überregulierung
Deutschland schafft „ein Problem – und dahinter zwei neue“, wie ich im Podcast erwähnt habe.
3. Fehlender Mut zur Größe
Wir denken in Kilowattstunden. Andere denken in Gigawatt.
Das ist kein Vorwurf an Kommunen oder Stadtwerke – sie kämpfen tagtäglich mit bürokratischen Hindernissen, die in vielen Ländern einfach nicht existieren.
Brauchen wir wirklich neue Gaskraftwerke?
Eine der spannendsten Erkenntnisse aus dem CIP-Paper betrifft die Frage nach der zukünftigen Rolle von Gaskraftwerken. Deutschland plant aktuell 10–20 GW neuer Kapazitäten. CIP sieht das deutlich anders:
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Gas wird kaum noch wirtschaftlich sein.
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Batteriespeicher übernehmen zunehmend größere Anteile.
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Biogas und synthetisches Methan spielen zukünftig eine zentrale Rolle.
Ich habe es im Podcast so formuliert:
„Das ist eigentlich nicht mehr sinnvoll.“
Denn wer heute ein Gaskraftwerk baut, trägt ein enormes Risiko, dass es später nur 200–500 Stunden im Jahr läuft – viel zu wenig, um die Investition zu amortisieren.
Biogas als globaler Gamechanger
Was in Dänemark bereits Realität ist, könnte auch anderen Ländern gelingen:
Ein starkes, nachhaltiges, reststoffbasiertes Biogas-System, das als Baustein für einen erneuerbaren Energiemix dient.
Deutschland hingegen hat Biogas politisch jahrelang klein gehalten.
Das rächt sich jetzt – und gleichzeitig eröffnet es eine Chance:
🔹 bestehende Höfe professionalisieren
🔹 Anlagen vergrößern und modernisieren
🔹 Reststoffnutzung und Kreislaufwirtschaft stärken
🔹 grüne Gase als Infrastruktur nutzen
Stadtwerke können davon enorm profitieren – sowohl wirtschaftlich als auch systemisch.
Persönliche Wendung: Ein Abschied mit Zukunft
Neben all diesen fachlichen Themen gibt es eine sehr persönliche Dimension der neuen Podcastfolge. Jaro – meine studentische Unterstützung – verlässt das Podcast-Team nach einer intensiven und großartigen gemeinsamen Zeit. Er beginnt ein neues Kapitel, das perfekt zu seinen Kompetenzen und Interessen passt.
Ich glaube, solche Abschiede stehen exemplarisch für Transformation:
Etwas Altes endet, etwas Neues beginnt – und beides ist wertvoll.
Egal ob Mitarbeiterwechsel, technologische Entwicklung oder die große Energiewende:
Transformation ist nie nur Technik. Sie ist immer auch Mensch.
Was du aus dieser Folge mitnehmen kannst
Dieser Blogbeitrag – genau wie die Podcastfolge – soll dir helfen, deinen Blick zu weiten:
🔹 Deutschland hat enormes Potenzial – aber es braucht neue Wege.
🔹 Biogas und grüne Moleküle spielen global eine viel größere Rolle, als wir oft annehmen.
🔹 Länder, die unbelastet in die Zukunft starten, haben einen klaren Vorteil.
🔹 Gaskraftwerke sind kein langfristiges Erfolgsmodell.
🔹 Investoren folgen Daten, nicht Traditionen.
Und:
Es braucht Menschen, die mutig genug sind, diese Erkenntnisse anzunehmen und weiterzutragen.
Hör doch direkt rein
Diese Blogversion ist lang – aber die Podcastfolge ist lebendig, ehrlich und noch detaillierter.
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