Claus Hartmann im Gespräch mit Dirk Bessau vom Projektträger Jülich
Beschreibung: Dirk Bessau vom Projektträger Jülich erklärt im Interview mit Claus Hartmann, warum Fördermittel ein entscheidender Hebel für die Energiewende sind – und wo Deutschland mutiger werden muss.
Lesezeit: ca. 15 Minuten
Link zur Podcastfolge: Hier zur Episode „Zwischen Bürokratie und Aufbruch: Was wir tun müssen, damit Energiepolitik wirkt“
Einleitung
Was braucht es für eine erfolgreiche Energiewende? Technologie? Wissen? Zeit? Dirk Bessau, Leiter des Geschäftsfelds Energie und Klima beim Projektträger Jülich (PtJ), stellt im Gespräch mit Claus Hartmann klar, dass das Problem kein Wissensdefizit mehr ist – sondern ein Umsetzungsproblem. Im Podcast „Energie im Wandel“ spricht er über Milliardenförderprogramme, persönliche Antriebe, gesellschaftliche Verantwortung und die große Frage: Wie gelingt Wandel wirklich?
Diese Frage ist hochaktuell. Zwischen Energiekrise, geopolitischen Verwerfungen und dem gesellschaftlichen Ruf nach Klimaschutz braucht es mehr denn je entschlossenes Handeln. Dabei wird klar: Die Energiewende ist kein rein technisches Projekt. Sie ist ein Kulturwandel. Und genau hier setzen Bessaus Gedanken an.
Der Mensch hinter der Mission: Dirk Bessau
Dirk Bessau ist kein Theoretiker. Sein Lebenslauf liest sich wie ein Querschnitt durch die Energiewirtschaft: Von den Stadtwerken Flensburg über den Bundesverband Windenergie bis hin zur Energie GmbH. Seit 2020 leitet er das Geschäftsfeld Energie und Klima beim PtJ – und verantwortet damit Programme in Milliardenhöhe.
Was ihn antreibt? Nachhaltigkeit ist sein grüner Faden. Der Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Fragen ist sinnstiftend.
In seiner Biografie zeigt sich: Nachhaltigkeit ist kein Schlagwort, sondern eine Grundhaltung. Bereits seine Diplomarbeit widmete er dem Thema, und auch in seinem Führungskräfte-Coaching wurde klar, dass das Thema sich wie ein roter Faden durch sein Leben zieht.
Zwischen Merkwelt und Wirkwelt
Ein zentrales Thema: Warum handeln wir nicht, obwohl wir alles wissen? Bessau zitiert den Philosophen Karl-Otto Apel – wenn unsere Merkwelt und unsere Wirkwelt auseinanderfallen, wird Handeln schwer. Beim Klimawandel passiert genau das. Wir spüren nicht unmittelbar, was unser Handeln bewirkt – und genau darin liegt das Dilemma. Wir produzieren Emissionen, deren Auswirkungen wir erst in 10 bis 20 Jahren merken. Das erschwert unsere Reaktion.
Dieses Prinzip erklärt, warum sich trotz besseren Wissens kaum jemand verantwortlich fühlt. Wir erleben keinen direkten Feedbackloop. Im Gegensatz zu einem Streitgespräch oder einem persönlichen Konflikt zeigt uns die Atmosphäre keine direkte Reaktion auf unsere Emissionen. Dieser fehlende Zusammenhang macht kollektives Handeln so schwierig.
Fördermittel als Motor der Energiewende
Der Projektträger Jülich betreut jährlich rund 20.000 bis 25.000 Projekte – vom kleinen Beleuchtungstausch bis zur milliardenschweren Wasserstoff-Infrastruktur. Sie verwalten aktuell mehr als zwei bis drei Milliarden Euro an Fördermitteln pro Jahr.
Dabei unterscheidet Bessau zwei Ebenen:
-
Breitenprogramme mit vielen kleinen Projekten
-
Große Industrie-Transformationsprojekte, etwa im Stahl- oder Chemiesektor
Was viele nicht wissen: Die Projektträger sind keine rein administrativen Stellen. Sie helfen auch, Förderlogiken zu gestalten, Antragsprozesse zu verbessern und Zielsysteme zu verfeinern. Das Ziel: Mittel müssen effizient, transparent und wirkungsorientiert eingesetzt werden.
Zwei Förderbeispiele mit großer Wirkung
Zwei besonders erfolgreiche Förderbeispiele nennt Bessau im Gespräch:
- Wärmepumpen: Diese sind nicht vom Himmel gefallen. Die Technik wurde über Jahrzehnte mit vielen Projekten aus der Nische in den Markt gefördert.
- Supraleiter: Ein Thema aus der angewandten Physik, das inzwischen im Stromtransport angekommen ist – mit enormem Potenzial für verlustfreie Leitungen.
Solche Innovationen zeigen: Ohne gezielte staatliche Unterstützung hätten sich viele der heute etablierten Technologien nicht durchgesetzt. Sie wurden nicht nur finanziell gefördert, sondern in Pilotprojekten getestet, weiterentwickelt und über Netzwerke in den Markt getragen.
Die Macht der Entscheidung: Ein persönlicher Wendepunkt
In einem besonders bewegenden Teil des Interviews spricht Bessau über eine wiederholte Schulklasse als prägendes Erlebnis. Denn es war eine Entscheidungssituation. Er merkte: Ich kann mitentscheiden, wie es weitergeht. Das war der Gamechanger!
Diese Erkenntnis zieht sich durch sein Denken: Menschen müssen Verantwortung übernehmen. Die eigene Rolle im System sehen. Aktiv werden, statt abzuwarten. Er musste es selbst erleben, um es zu verstehen. Und das war ein Geschenk.
Deutschland: Innovativ, aber langsam
Trotz aller Innovationskraft stellt Bessau fest, dass wir ein Umsetzungsproblem haben. Nicht, weil wir zu wenig wissen, sondern weil wir uns zu sehr in Regeln verlieren.
Fördermittel sind ein Paradebeispiel dafür: Für jede Regel zur Vermeidung von Missbrauch wurden neue Dokumentationspflichten eingeführt. Die Folge: Lange Antragswege, Verzögerungen und Frustration bei innovativen Unternehmen.
Laut Dirk brauchen wir brauchen mehr Geschwindigkeit, mehr Mut, mehr Risikobereitschaft. Nicht überall Kontrolle – sondern zielgerichtetes Vertrauen.
Ein Vorbild könnte hier die Niederlande sein. Dort werden Fördermittel teils pauschalisiert, das Vertrauen in Antragsteller ist größer, die Kontrolle erfolgt risikobasiert.
Blick in die Zukunft: Was wird gefördert?
Dirk Bessau nennt im Ausblick die nächsten großen Technologiefelder:
- Perowskit-Solarzellen mit höherer Effizienz
- Wasserstofftechnologien für Industrie und Mobilität
- Thermische Solarkraftwerke in sonnigen Regionen
Zugleich betont er, dass wir nicht nur Technik fördern, sondern auch gesellschaftliche Transformation fördern müssen.
Förderung bedeutet heute nicht mehr nur technologische Machbarkeit. Es geht um Systemintegration, gesellschaftliche Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit. Diese Komplexität anzuerkennen, ist Voraussetzung für erfolgreiche Politikgestaltung.
Internationale Perspektiven: Lernen von Südkorea
Im Rahmen einer neuen Kooperation mit Südkorea will der Projektträger Jülich zukünftig noch stärker international denken. Die Herausforderungen sind global. Also müssen wir auch global voneinander lernen.
Dabei geht es nicht nur um Technologietransfer, sondern auch um institutionelles Lernen: Wie organisieren andere Länder ihre Innovationssysteme? Welche Rolle spielen Projektträger dort? Und wie kann man voneinander profitieren, ohne nationale Souveränität aufzugeben?
Fazit: Wandel beginnt beim Wollen
Dirk Bessau bringt es auf den Punkt – Voranschreiten bedeutet manchmal auch scheitern. Aber nichts zu tun ist keine Option mehr!
Was bleibt, ist ein Appell: Mehr Vertrauen in Innovation. Mehr Mut zur Entscheidung. Und die Erkenntnis, dass echte Transformation nicht von alleine passiert – sondern durch Menschen wie dich.
Jetzt reinhören in die Podcastfolge: Zwischen Bürokratie und Aufbruch: Was wir tun müssen, damit Energiepolitik wirkt