Vom mehrwertlosen Verbrauch zur Datenrevolution – wie deZem Energieeffizienz neu denkt

 Warum Daten über Erfolg und Scheitern der Energiewende entscheiden

Es gibt Momente in Interviews, die wie ein Schlaglicht wirken. Als ich mit Georg Riegel, CEO der deZem GmbH, sprach, war es ein Satz, der mich innehalten ließ: „Mehrwertloser Verbrauch.“

Ein Begriff, der so unspektakulär klingt und doch das wohl größte ungehobene Energieeffizienzpotenzial unserer Zeit beschreibt. Energie, die verbrannt wird, ohne Nutzen zu stiften. Anlagen, die laufen, obwohl niemand im Gebäude ist. Heizungen, die kühlen, weil die Kühlung heizt. Und all das, weil wir nicht sehen, was passiert.

Genau an dieser Stelle setzt deZem an: mit radikaler Datentransparenz, weltweit ausrollbarer Sensorik und einer Plattform, die Energiemanagement demokratisiert – vom Controller über den Techniker bis zum Hausmeister.

In diesem Blogbeitrag tauchen wir ein in die Entstehungsgeschichte, die Technologie, die Philosophie und die Vision von Georg Riegel. Eine Vision, die weit über Energiemonitoring hinausgeht und die Frage stellt:

Wie schaffen wir ein Energiesystem, das wirklich intelligent ist – und wie hilft uns die Marktwirtschaft dabei?


1. Ein Leben zwischen Chile, Deutschland und Kanada – und wie daraus ein Naturschützer und Energiepionier wurde

Georg Riegels Lebensweg liest sich wie ein Atlas voller Wendepunkte: geboren in Chile, aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland, später Physik- und Promotionsjahre in Kanada. Seine Perspektive ist global – und genau das macht seine Antworten so überraschend lebensnah.

Er erklärt seinen persönlichen Wandel mit einem Satz, den ich besonders eindrücklich fand:

„Dieser Wechsel der Welten hat Sensibilitäten erzeugt – und erkennen lassen, dass man Natur nicht nur nutzen, sondern schützen muss.“

Während seiner Jugend in Chile erlebte er Natur als grenzenlose Freiheit: Motorradfahren durch Wälder, Abenteuer, Weite. Erst später, im Kontrast zu Europa, wurde ihm bewusst, wie fragil diese Ökosysteme sind. Und wie schnell sie verschwinden können, wenn man nicht aufpasst.

Seine wissenschaftliche Ausbildung – Biochemie, Chemie, Physik, Quantenphotochemie – schärfte wiederum seinen Blick für Daten, Systeme und Zusammenhänge. Und genau diese Mischung legte den Grundstein für deZem.


2. Warum Partizipation im Energiemanagement kein Nice-to-have ist – sondern der Schlüssel zur Wirkung

Einer der spannendsten Aspekte unseres Gesprächs war sein Ansatz von radikaler Partizipation. Energiemanagement kann nur funktionieren, wenn es nicht ausschließlich Aufgabe des Energiemanagers bleibt.

Ich selbst sagte im Podcast:

„Ich habe häufig Energiemanager vor mir, die mir ihr Leid klagen: Auf mich hört ja keiner.“

Georg bestätigt das – und erklärt, warum Plattformdenken der einzige Ausweg ist:
Eine Plattform, auf der alle Daten für alle relevanten Akteure sichtbar sind.

Controller sehen Kostenentwicklungen.
Techniker erkennen Anlagenfehlverhalten.
Einkauf kann Ausschreibungen besser gestalten.
Hausmeister sieht, was nachts läuft.
Geschäftsführung bekommt Kennzahlen, die strategische Entscheidungen ermöglichen.

Und plötzlich entsteht ein gemeinsamer Blick auf die Realität.

Ein Satz von Georg bringt es auf den Punkt:

„Die großen Potenziale liegen nicht im einzelnen Thema – sondern zwischen den Themen.“


3. Die Revolution: LoRaWAN-Sensorik, die Strommessung ohne Kabel, Batterien oder Aufwand möglich macht

Was deZem technologisch geschaffen hat, wirkt fast wie Magie:

  • Ein kleiner Sensor, der einfach um ein Stromkabel geklipst wird.

  • Der sich aus dem Magnetfeld selbst versorgt.

  • Keine Batterie, kein Kabel, null Wartung.

  • Funkreichweite über Kilometer.

  • Installation in Minuten.

Damit wird Energiemessung skalierbar. Global.

Case Study Douglas – 1.800 Filialen, zwölf Messpunkte pro Store

Eines der eindrucksvollsten Projekte: Douglas.
1.800 Stores in 22 Ländern, jeweils zwölf Strommesspunkte – blitzschnell installiert durch fünf Elektrikerteams, die mit Transportern quer durch Europa fuhren.

Georg erzählt lachend Anekdoten von Installateuren, die nach zwei Tagen Installation einen Tag Wandern gingen – weil sie einfach schneller waren als geplant.

Das Ergebnis?

Daten in Echtzeit.
Vergleichbarkeit zwischen Standorten.
Erkennbar gewordene Anomalien.

Und – ein wahrer Augenöffner – Grundlast-Unterschiede von einem Faktor 60.

Das bedeutet: Ein Store verbraucht nachts 60-mal mehr als ein anderer, obwohl beide dieselben Prozesse haben.

Ein verlorener Schatz, der jetzt sichtbar wird.


4. Smart Cities & Kommunen – Energieeffizienz dort, wo Budgets knapp und Potenziale groß sind

Nicht nur internationale Retailer profitieren.
Auch Kommunen wachsen in diese Rolle hinein.

Beispiel Nordhessen: Fünf Kommunen, die gemeinsam eine Energieplattform nutzen, um Schulen, Turnhallen, Feuerwehren oder Schwimmbäder zu vergleichen. Gerade dort, wo Personal knapp ist, entsteht Synergie.

Vergleichbarkeit erzeugt Dynamik. Transparenz schafft Fokus.

Ein Bürgermeister muss kein Energieexperte sein, um zu erkennen, wenn die Kita nachts durchheizt.


5. Mehrwertloser Verbrauch: Das stille Monster der Energiewirtschaft

Einer meiner Lieblingsmomente war, als wir über Energieverbräuche sprachen, die keinerlei Nutzen stiften.

Lüftungen, die in leeren Gebäuden auf Vollgas laufen.
Heizungen und Klimaanlagen, die gegeneinander arbeiten.
Fehlkonfigurationen, die sich jahrelang hinter verschlossenen Türen verstecken.

Ich sagte im Podcast:

„An der Schnittstelle liegt das Potenzial, das wir jetzt noch heben können.“

Georg bestätigt das – und geht sogar noch weiter.
Er sagt: Wir müssen grundsätzlich anders denken.

Nicht mehr: Wo können wir noch fördern?
Sondern: Wie erzeugen wir Preissignale, die den Markt in die richtige Richtung lenken?

Damit kommen wir zu seinem Lieblingsthema: Externalitäten und CO₂-Preise.


6. Warum CO₂-Preise wichtiger sind als jede Förderung – und warum Förderbürokratie uns ausbremst

Georg spricht sich nicht nur klar für CO₂-Bepreisung aus – er hält sie für das beste Instrument der Marktwirtschaft.

Und er kritisiert, dass Unternehmensführer teilweise nach Abschaffung des Emissionshandels rufen. Für ihn völlig unverständlich.

Sein Argument:
Förderprogramme sind teuer, wirken langsam und erzeugen Bürokratie.
Preise hingegen wirken unmittelbar, technologieoffen und marktkonform.

Er sagt:

„Man kann unmöglich eine Preisstruktur haben, die den Markt in eine Richtung leitet, die wir nicht wollen.“

Das Stichwort lautet: Internalisierung externer Kosten.

Und Georg denkt diesen Gedanken noch größer:
Nicht nur CO₂, sondern etwa 30 chemische Elemente plus zwei weitere Faktoren – Landnutzung und Wassernutzung – sollten intelligent bepreist werden.

So würde die Marktwirtschaft plötzlich das tun, was wir von ihr erwarten: Innovation erzeugen statt verschleppen.


7. Schwarmintelligenz im Energiesystem – und warum die Netzfrequenz das Preissignal der Zukunft sein könnte

Einer der radikalsten Gedanken, die Georg formuliert:
Wir könnten Energiepreise im Sekundentakt dynamisieren – ohne zusätzliche Infrastruktur.

Wie?
Durch Nutzung der Netzfrequenz als Preissignal.

Die Frequenz zeigt den Energieüberschuss oder -mangel im System.
Wenn sie sinkt, steigt der Preis.
Wenn sie steigt, sinkt der Preis.

Millionen Geräte – Wärmepumpen, E-Autos, Speicher – könnten automatisch reagieren.

Ein Stromsystem, das sich selbst reguliert.
Ein Markt, der sich selbst steuert.
Ein Netz, das stabil bleibt – durch Schwarmintelligenz.

Für Georg ein logischer nächster Schritt.


8. Die Zukunft: Daten, Partizipation und intelligente Preise

Wenn man die Essenz dieses Interviews zusammenfasst, entsteht folgendes Bild:

  1. Wir haben die Technologie, um weltweit Energie transparent zu machen.

  2. Wir haben die Daten, um Verschwendung sichtbar zu machen.

  3. Wir haben das Wissen, um Systeme effizienter zu steuern.

  4. Was fehlt, ist der Mut, Preise intelligent zu gestalten und Bürokratie abzubauen.

  5. Und wir brauchen Organisationen, die Partizipation leben.


9. Fazit: Die Energiewelt von morgen ist vernetzt, datengetrieben und marktwirtschaftlich klug gesteuert

Das Gespräch mit Georg Riegel hat mich in mehrfacher Hinsicht inspiriert.
Es zeigt: Die Energiewende scheitert nicht an Technik.
Sie scheitert daran, dass wir Dinge laufen lassen, die niemand braucht – weil niemand hinschaut.

Doch diese Zeit ist vorbei.

Mit Plattformen wie deZem werden Daten sichtbar.
Mit Sensorik wird Energie messbar.
Mit Preissignalen wird Innovation rentabel.
Mit Partizipation wird Energiemanagement wirksam.

Und am Ende ist es ein Satz, den ich aus dem Gespräch mitnehme:

„Der Feind ist nicht der Verbrauch – es ist der mehrwertlose Verbrauch.“

Wenn wir diesen beseitigen, heben wir nicht nur enorme Einsparpotenziale, sondern gestalten eine nachhaltige, wirtschaftlich starke Zukunft.

👉 Zur Podcastfolge: Energie im Wandel mit Georg Riegel